WERKVERTRAGSRECHT
Vertragsstrafe als pauschalierter Schadenersatz
Bei nahezu jedem Bauvorhaben stellen die Einhaltung des festgelegten Terminplans sowie die mit den einzelnen Professionisten vereinbarten Liefer- und Leistungsfristen einen wesentlichen Vertragsbestandteil dar. An der rechtzeitigen Fertigstellung des Bauvorhabens sind nicht nur der Bauherr und die ausführenden Gewerke, sondern auch die künftigen Nutzer bzw. Eigentümer interessiert.
Aus diesem Grund wird unter anderem in den Werkverträgen mit den ausführenden Gewerken oft ein Pönale (Vertragsstrafe) für die Einhaltung der Zwischen- und Endtermine vereinbart und vorgesehen, dass beispielsweise für jeden Tag des Verzuges ein Prozentsatz der Auftragssumme fällig wird und gleichzeitig eine Maximalsumme der aus Leistungsverzug zustehenden Vertragsstrafe festgesetzt wird.
In einer jüngst ergangenen Entscheidung hatte der Oberste Gerichtshof darüber zu urteilen, ob die zwischen dem Generalunternehmer und seinem Nachunternehmer vereinbarte Vertragsstrafe tatsächlich mit jenem im einstelligen Prozentbereich vereinbarten Anteil der Auftragssumme des Nachunternehmers begrenzt war bzw. ob der Generalunternehmer darüber hinaus einen durch den Leistungsverzug des Nachunternehmers verursachten Schaden des Bauherrn an den Nachunternehmer weiterreichen kann.
Eine Vertragsstrafe ist ein für einen definierten Anlassfall pauschalierter Schadenersatz. Er soll einerseits den Auftragnehmer zur korrekten Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlassen und anderseits dem vereinfachten Ausgleich der dem Auftraggeber aus einer trotzdem erfolgten Vertragsverletzung erwachsenden Nachteile durch Pauschalierung seines Schadenersatzanspruches dienen. Eine vereinbarte Konventionalstrafe gebührt idR auch dann, wenn kein oder ein geringerer Schaden eingetreten ist. Es kann zwischen den Vertragsparteien aber ausdrücklich vereinbart werden, dass neben der vereinbarten Konventionalstrafe auch der Ersatz eines die Pönale übersteigenden Schadens geltend gemacht werden kann, ebenso, dass ein über die ursprünglich vereinbarte Vertragsstrafe hinausgehender übersteigender Schaden nur bei beispielsweise Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Werkunternehmers gefordert werden kann.
Es ist eine Einzelfallentscheidung, hängt also von der Auslegung der konkreten Vertragsbestimmung im Einzelfall ab, ob ein über die vereinbarte Konventionalstrafe hinausgehender Schaden im Verzugsfall zu ersetzen ist oder nicht. In dem vom Obersten Gerichtshof beurteilten Fall haben die Vertragsparteien einerseits einen Pauschalbetrag pro Tag des Leistungsverzuges des Werkunternehmers vereinbart und anderseits einen Höchstbetrag des Pönales im Ausmaß von 5 % der Auftragssumme. Diese Begrenzung diente offenkundig nach dem Willen der Vertragsparteien dazu, für den Werkunternehmer Rechtssicherheit in Bezug auf die Höhe der allenfalls drohenden Vertragsstrafe zu schaffen. Eine konkrete Vereinbarung, wonach neben der vereinbarten maximalen Vertragsstrafe ein darüber hinaus gehender Schadenersatzbetrag vom Werkunternehmer abzugelten sei, haben die Vertragsparteien nicht getroffen.
Vor diesem Hintergrund hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass es dem Generalunternehmer nicht gestattet sei, den gesamten ihm aus dem Leistungsverzug des Werkunternehmers vom Bauherrn geforderten Schadenersatz an den säumigen Werkunternehmer weiterzureichen. Vielmehr war der Generalunternehmer auf den mit dem Werkunternehmer vertraglich vereinbarten Höchstbetrag des Pönales begrenzt. Erläuternd führte das Höchstgericht aus, dass der Generalunternehmer bei Abschluss der Vereinbarung mit dem Werkunternehmer bereits wusste, dass seine eigenen Pönalevereinbarung mit dem Bauherrn eine wesentlich höhere Vertragsstrafe vorsah, die im Verzugsfall das mit dem Werkunternehmer vereinbarte Limit übersteigen konnte.
Für die Praxis bedeutet dies, dass bei der Vereinbarung von Vertragsstrafen immer darauf Bedacht genommen werden muss, dass ein von der Auftragssumme her gesehen möglicherweise nicht so gewichtiges Gewerk durchaus für massive Leistungsverzüge und damit beträchtliche Schadenersatzforderungen aufgrund nicht fristgerechter Leistungserbringung ursächlich sein kann. Eine explizite vertragliche Vereinbarung, wonach ein die Konventionalstrafe übersteigender Schaden – beispielsweise bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Werkunternehmers – gefordert werden kann, kann für solche Fälle Rechtssicherheit bieten.
Wilfried Opetnik
November 2020