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ARBEITSRECHT

Urlaubsanspruch von Angestellten – 6. Urlaubswoche und Vordienstzeiten

In der Regel gebührt einem Angestellten für jedes Arbeitsjahr bezahlter Urlaub im Ausmaß von 5 Wochen, wobei sich das Urlaubsausmaß nach Vollendung des 25. Dienstjahres bei demselben Arbeitgeber auf 6 Wochen erhöht. Den wenigsten Arbeitnehmern ist bekannt, dass durch Anrechnung von Vordienstzeiten im Ausmaß von maximal 12 Jahren diese gesetzlich normierte Wartezeit auf 13 Dienstjahre bei demselben Arbeitgeber verkürzt werden kann.

ZUSAMMENRECHNUNG VON DIENSTZEITEN UND ANRECHENBARKEIT VON VORDIENSTZEITEN

Für die Bemessung des Urlaubsausmaßes sind Dienstzeiten bei demselben Arbeitgeber, die keine längeren Unterbrechungen als jeweils 3 Monate aufweisen, zusammenzurechnen. Diese Zusammenrechnung unterbleibt jedoch, wenn die Unterbrechung durch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses seitens des Arbeitnehmers, durch einen vorzeitigen Austritt ohne wichtigen Grund oder eine vom Arbeitnehmer verschuldete Entlassung eingetreten ist.

Gemäß § 3 Urlaubsgesetz (im Folgenden kurz „UrlG“) sind nachstehende Vordienstzeiten anzurechnen:

 

Neben diesen gesetzlichen Anrechnungsbestimmungen kann der jeweilige Kollektivvertrag für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen zur Anrechnung von Vordienstzeiten vorsehen. Im Kollektivvertrag für Angestellte bei Ziviltechnikern (Stand 1.1.2021) findet sich beispielsweise in § 18b eine Anrechnungsklausel für Zeiten der Elternkarenz im bestehenden Dienstverhältnis: Diese werden bis zu einem Gesamtausmaß von 24 Monaten auch für dienstzeitabhängige Rechtsansprüche angerechnet. Für Elternkarenzen vor dem 1.8.2019 sah § 15f Mutterschutzgesetz (und auch § 7c Väter-Karenzgesetz) vor, dass die erste Karenz im Dienstverhältnis für die Bemessung des Urlaubsausmaßes bis zum Höchstmaß von insgesamt 10 Monaten angerechnet wird. Allfällige Zeiten der Elternkarenz von max. 24 bzw. max. 10 Monaten sind demnach bei einer maximalen Anrechnung von 12 Jahren an Vordienstzeiten als Dienstzeiten bei demselben Arbeitgeber anzusehen und fallen als solche in die übrigen 13 Jahre.

NACHWEIS DER NARECHENBAREN VORDIENSTZEITEN

Am leichtesten gelingt der Nachweis von anrechenbaren Vordienstzeiten durch Vorlage eines Versicherungsdatenauszuges der österreichischen Sozialversicherung, welcher unbürokratisch mittels Online-Formular angefordert werden kann, sowie mittels der entsprechenden Zeugnisse. Das UrlG sieht keine Frist für den Nachweis der anrechenbaren Vordienstzeiten vor, sodass es dem Arbeitnehmer grundsätzlich freisteht, dem Arbeitgeber jederzeit die entsprechenden Unterlagen vorzulegen.

VERJÄHRUNG VON URLAUBSANSPRÜCHEN

Wenn die anrechenbaren Vordienstzeiten nicht bereits bei Dienstantritt erhoben werden, setzen sich Arbeitnehmer in der Regel im 13. Dienstjahr mit dieser Thematik näher auseinander. Sollte der Arbeitnehmer auf die Geltendmachung seines Anspruchs auf die 6. Urlaubswoche aus welchen Gründen auch immer „vergessen“ haben, stellt sich die Frage der Anspruchsverjährung.

Ganz allgemein regelt § 4 Abs 5 UrlG, dass der Urlaubsanspruch nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist, verjährt. Diese Frist verlängert sich bei Inanspruchnahme einer Karenz gemäß dem Väter-Karenzgesetz oder gemäß dem Mutterschutzgesetz um den Zeitraum der Karenz. Diese Grundregel gilt für die „vergessene 6. Urlaubswoche“ aus nachstehenden Gründen nur „bedingt“:

Der Anspruch auf die 6. Urlaubswoche entsteht kraft Gesetzes. Nach Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist er insbesondere nicht von einer Geltendmachung durch den Arbeitnehmer abhängig. Entscheidend ist sohin ausschließlich, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Grundsätzlich gilt bei der Tilgung einer von mehreren Forderungen mangels ausdrücklicher Bezeichnung immer die älteste Forderung als getilgt. Umgelegt auf den Urlaubsanspruch bedeutet das: Gewährt der Arbeitgeber Urlaub (und „zahlt“ damit seine Schuld), dann konsumiert der Arbeitnehmer immer den ältesten Urlaub vor dem jüngeren, wenn nichts anderes vereinbart wird. Sollte daher weder dem Abreitgeber noch dem Arbeitnehmer bewusst sein, dass bereits ein Anspruch auf die 6. Urlaubswoche besteht, könnte der Arbeitnehmer im Nachhinein mit seinem Anspruch kraft Gesetzes argumentieren und behaupten, dass er in der Vergangenheit die jeweils bereits zustehende 6. Urlaubswoche konsumiert hat.

Mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung kann nicht abschließend beurteilt werden, wann der Anspruch des Arbeitnehmers auf die 6. Urlaubswoche tatsächlich verjährt. Als Arbeitnehmer könnte jedenfalls argumentiert werden, dass eine Verjährung nur in dem Fall stattfindet, wenn der Urlaub auch dann verjährt wäre, hätte man von der 6. Urlaubswoche rechtzeitig gewusst und den Urlaubsverbrauch nicht anders vereinbart als tatsächlich geschehen. Hat ein Arbeitnehmer regelmäßig Urlaub konsumiert und nicht mehrere Jahresurlaube stehen, so ist davon auszugehen, dass auch die „länger vergessene“ 6. Urlaubswoche wohl nicht verjährt sein wird.

Madeleine Buric, November 2021

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