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WERKVERTRAGSRECHT

SCHLUSSRECHNUNGSVORBEHALT UND BEGRÜNDUNGSVERPFLICHTUNG

Gemäß Punkt 8.4.2 der ÖNORM B 2110 schließt die Annahme der Schlusszahlung auf Grund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen. Wie umfangreich diese Begründungspflicht ist, wurde in mehreren Entscheidungen thematisiert.

In der Entscheidung 5 Ob 200/21d sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass die Verpflichtung, den Vorbehalt zu begründen, nicht überspannt werden darf (so schon 9 Ob 111/06y). Die vorbehaltenen Ansprüche sind aber jedenfalls in erkennbarer Weise zu individualisieren und müssen wenigstens schlagwortartig den Standpunkt des Werkunternehmers erkennen lassen (9 Ob 81/14y = RS0070863 [T14]; 9 Ob 4/16b). Damit bestätigt der Oberste Gerichtshof seine bisherige auftragnehmerfreundliche Rechtsprechung, wiewohl er bloße Stehsätze wie, dass die Auftragnehmerin „die Abstriche beeinspruche und die Korrekturen falsch seien“ (8 Ob 109/04v) sowie „die vorgenommenen Rechnungskorrekturen, Nichtanerkenntnisse, Streichungen und Skontoabzüge seien keinesfalls zu akzeptieren“ weiterhin als zu unbestimmt und nicht ausreichend ansieht.

Oft kommt es nach Schlussrechnungslegung zu einem wortreichen Schlagabtausch zwischen den Vertragsparteien und manchmal auch zu weiteren Zahlungen des Auftraggebers. Hierzu hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass der Werkunternehmer zu einer zweiten Zahlung nicht neuerlich seinen Vorbehalt erklären muss, wenn nach dem ersten Vorbehalt und vor der weiteren Zahlung Gespräche über die unterschiedlichen Standpunkte geführt wurden (RS0124589; 8 Ob 164/08p; 3 Ob 157/13d). Ein rechtzeitiger Widerspruch stellt nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs für den Besteller ausreichend klar, dass er sich auf die künftige Geltendmachung des Differenzbetrags durch den Unternehmer einstellen muss. Dass es in solchen Fällen nach einem Vorbehalt noch zu Gesprächen kommt, in denen Auffassungsunterschiede in einzelnen Punkten ausgeräumt werden und der Werkbesteller nachträglich vorher bestrittene Rechenpositionen akzeptiert, begründet nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs kein zusätzliches oder neues Klarstellungsinteresse, sondern führt lediglich zur Verminderung der strittigen Rechnungspositionen (10 Ob 65/12z = RS0124589 [T1 und T2]).

Ungeachtet dieser Judikatur empfehle ich einen weiteren Vorbehalt nach Erhalt der zweiten Zahlung auf die Schlussrechnung zu erheben und die nach wie vor offenen Positionen zu reklamieren.

In der Entscheidung 8 Ob 60/21p hat sich der Oberste Gerichtshof dann auch mit der Frage auseinandergesetzt, wie ein solcher Vorbehalt verfasst sein muss. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs wird eine schriftliche Auflistung der strittigen Rechnungsposten in einer Besprechungsnotiz zwischen Bauleitern der Streitteile sowie eine eMail mit der Nachforderungsankündigung als ausreichend angesehen. Auch diesbezüglich bleibt der Oberste Gerichtshof auftragnehmerfreundlich.

Petra Rindler, Juni 2022

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