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REISERECHT

Reisen in Zeiten von Corona

In den letzten Wochen und Monaten hat viele Reisefreudige aufgrund des grassierenden Coronavirus die Frage beschäftigt, ob eine bereits vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie gebuchte Reise kostenfrei storniert werden kann. Bei Buchungen, die aktuell oder auch in den nächsten Monaten vorgenommen werden, ist zu fragen, welche Auswirkungen die nunmehrige Kenntnis der Bedrohung durch die COVID-19-Pandemie auf die Möglichkeiten eines Reisestornos hat.

Grundsätzlich ist es immer möglich, von einer bereits gebuchten Reise zurückzutreten, wobei ein solches Storno normalerweise mit Kosten verbunden ist. Dabei gilt: je kürzer vor Antritt der Reise storniert wird, umso höher sind die Kosten des Vertragsrücktritts.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein kostenfreies Storno zulässig ist, muss zwischen Individual- und Pauschalreisen unterschieden werden.

INDIVIDUALREISEN

Bei einer Individualreise werden die einzelnen Leistungen (z.B. Flug und Hotel) vom Reisenden bei unterschiedlichen Anbietern gebucht. Bei individuell gebuchten Reisen kommt es auf die jeweiligen Vertragsbedingungen im Einzelfall an. Als Reisender ist man dabei oft auf das Entgegenkommen des jeweiligen Vertragspartners (Fluglinie, Hotel) angewiesen. Bei einer Hotelbuchung wird meist das nationale Recht des Staates zur Anwendung kommen, in dem die Unterkunft liegt. Bei Anwendbarkeit des österreichischen Rechts (z.B. bei Inlandsreisen) kann unter Umständen mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage argumentiert werden.

Storniert ein Reise- oder Transportunternehmen seinerseits die gebuchte Leistung, hat der Reisende grundsätzlich immer das Recht, frei zwischen der Rückerstattung des Entgelts und einer Umbuchung zu wählen. Das gilt nicht nur für Flugreisen, sondern auch für Bus-, Zug- und Fährentickets und auch für gebuchte Pauschalreisen. Mit Gutscheinen („Corona-Voucher“), die rechtlich einige Nachteile bzw. Schwächen aufweisen, muss man sich nicht zufriedengeben.

Bei Flugannullierungen kommt die Fluggastrechte-Verordnung 261/2004 zur Anwendung. Nach dieser Verordnung ist grundsätzlich auch eine Ausgleichsleistung zu zahlen, wenn ein Flug annulliert wird. Erfolgt die Verständigung über die Annullierung mehr als zwei Wochen im Vorhinein, steht keine Ausgleichsleistung zu. Falls die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, entfällt die Ausgleichsleistung ebenfalls. Es ist anzunehmen, dass Einreiseverbote im Zusammenhang mit dem Coronavirus – einer Auslegung der Europäischen Kommission folgend – als solche außergewöhnlichen Umstände anerkannt werden. Diese Ausgleichsleistung ist aber selbstverständlich von der Erstattung der Ticketkosten zu unterscheiden, die bei einer Annullierung jedenfalls zu erfolgen hat.

PAUSCHALREISEN

Pauschalreisen bieten gegenüber Individualreisen grundsätzlich besseren Schutz für den Reisenden. Pauschalreisen bestehen aus einer Kombination von mehreren Reiseleistungen, meist Beförderung und Unterbringung, die von einem Reiseveranstalter angeboten werden. Bei einer Pauschalreise ist der Reiseveranstalter daher der einzige Vertrags- und Ansprechpartner.

Das Pauschalreisegesetz (PRG) setzt eine Richtlinie der Europäischen Union um und ist am 1.7.2018 in Kraft getreten. Das PRG wurde in Folge der COVID-19-Pandemie (zumindest bisher) auch nicht geändert. Der Anwendungsbereich des Pauschalreisegesetzes erstreckt sich nicht nur auf das Verhältnis Unternehmer – Verbraucher (B2C) sondern auch auf Unternehmergeschäfte (B2B) und daher auch auf Dienstreisen.

Soweit Pauschalreisen vom Reiseveranstalter abgesagt werden, haben die Reisenden das Recht auf Rückzahlung des bereits bezahlten Entgelts.

Wenn der Reiseveranstalter die Reise nicht von sich aus absagt, hat der Pauschalreisende das Recht, vor Antritt der Reise ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr vom Reisevertrag zurückzutreten, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe „außergewöhnliche Umstände“ auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort „erheblich beeinträchtigen“ (§ 10 Abs 2 Pauschalreisegesetz).

Wann solche „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen, ist anhand des konkreten Einzelfalles zu beurteilen. Dazu können beispielsweise Kriegshandlungen oder erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit zählen, die eine sichere Reise unmöglich machen, somit unter Umständen auch der Ausbruch einer schweren Krankheit am Reiseziel. Nach der schon vor Inkrafttreten des Pauschalreisegesetzes ergangenen Rechtsprechung ist ein kostenfreies Storno dann möglich, wenn für das Reiseziel eine Reisewarnung des Außenministeriums vorliegt, oder wenn sonst die Reise für den Kunden aus nach dem Vertragsabschluss sich ergebenden, weder von ihm noch vom Vertragspartner zu verantwortenden oder zu beeinflussenden Ereignissen unmöglich oder unzumutbar wird (1 Ob 257/01b, OGH vom 27.11.2001). Wo die Grenzen zwischen noch zumutbaren und unzumutbaren Risiken liegen, ist immer anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Bei der Frage, ob dem Reisenden der Antritt einer Reise unzumutbar ist, darf sich der Reisende auch an „Informationssendungen in Rundfunk und Fernsehen und anerkannt seriösen Zeitungen“ orientieren. Diese Medienberichte „können nicht als aus Sensationslust weit übertriebene Berichte abgetan werden, die nicht ernst zu nehmen seien“ (RIS-Justiz RS0111962).

Das Außenministerium hatte sich am 12.3.2020 dazu entschlossen, alle Länder weltweit auf „hohes Sicherheitsrisiko“ zu setzen und von nicht notwendigen Reisen abzuraten. Beim „hohen Sicherheitsrisiko“ handelt es sich um Stufe 4 von 6 Sicherheitsstufen und dies stellt noch keine „Reisewarnung“ dar. Bei Reisewarnungen (Stufe 5 und 6) rat das Außenministerium nicht nur von nicht notwendigen Reisen ab, sondern warnt auch ausdrücklich davor. Reisewarnungen des Außenministeriums bestehen derzeit (Stand 24.6.2020) unter anderem für Reisen nach Großbritannien, Schweden, Portugal, Iran, Türkei, und USA. Gebuchte Pauschalreisen in diese Gebiete haben daher zu einem kostenlosen Rücktritt berechtigt. Das Vorliegen einer Reisewarnung ist aber nicht zwingend Voraussetzung für ein kostenloses Stornierungsrecht.

Steht der Antritt der Reise nicht unmittelbar bevor, ist es dem Kunden durchaus zuzumuten, vorerst die weitere Entwicklung abzuwarten Aus diesem Grund sollte man mit der Stornierung bis kurz vor Reiseantritt warten und den Rücktritt nicht vorschnell erklären (was aber auch die Kosten für ein Storno erhöhen kann, wenn sich die Lage am Reiseziel bessert). Einer Umbuchung auf ein anderes Reiseziel muss der Reisende nicht zustimmen; nähere Regelungen zu den Möglichkeiten einer Vertragsanpassung finden sich in § 9 Pauschalreisegesetz.

Sollte die vereinbarte Rückbeförderung im Pauschalreisevertrag aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht möglich sein, etwa weil Flughäfen geschlossen werden, muss der Reiseveranstalter die Kosten für die Unterbringung für längstens drei Nächte tragen. Mangels einschlägiger Judikatur ist derzeit nicht klar, ob diese Bestimmung auch auf den Fall der Quarantäne in einem Hotel anwendbar ist. Individualreisende sind auch in einem solchen Fall jedenfalls auf sich alleine gestellt. Es besteht aber die Möglichkeit, dass der Aufenthaltsstaat die Kosten der Quarantäne übernimmt. Wenn das Hotel vor der Abreise die Bezahlung durch den Reisenden verlangt, sollte dies nur „unter Vorbehalt der rechtlichen Klärung und Rückforderung“ erfolgen.

Eine über das kostenfreie Rücktrittsrecht und den Anspruch auf Unterbringung für längstens drei Nächte hinausgehende Entschädigung steht dem Reisenden nach dem Pauschalreisegesetz nicht zu.

ACHTUNG BEI ANZAHLUNGEN

Oft müssen für eine Reise bereits weit im Vorfeld Anzahlungen geleistet werden und die Zahlung des Restpreises soll ein oder zwei Wochen vor Reiseantritt bei Ausfolgung der Reiseunterlagen erfolgen. Diese Zahlungen sind innerhalb von Pauschalreisen durch ein zwingendes Versicherungssystem abgesichert – bei Individualreisen droht aber die Gefahr, dass im Fall der Insolvenz des Vertragspartners – selbst bei einem zulässigen kostenlosen Rücktritt – die Zahlungen verloren sind.

HILFE DURCH REISEVERSICHERUNGEN?

Reiseversicherungen helfen im Zusammenhang mit dem Auftreten des Coronavirus meist nicht, weil die meisten Reisestornoversicherungen behördliche Maßnahmen und Epidemien vom Versicherungsschutz ausschließen. Versicherungsschutz bei Stornierung einer Reise in Zusammenhang mit Krankheiten ist in der Regel nur dann gegeben, wenn die Krankheit den Reisenden selbst, Mitreisende oder bestimmte nahe Angehörige betrifft. Die Angst vor eine Infektion mit Corona ist kein Stornogrund. Übrigens: Viele österreichische Rechtsschutzversicherer berufen sich auf eine Pandemie-Ausschlussklausel und gewähren hier im Streitfall keine Deckung.

FAZIT

Ein kostenfreies Storno ist dann möglich, wenn für das Reiseziel eine Reisewarnung (Stufe 5 oder 6) des Außenministeriums vorliegt oder unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände vorliegen, die die Pauschalreise erheblich beeinträchtigen, durch die der Antritt der Reise unzumutbar geworden ist. Steht der Antritt der Reise nicht unmittelbar bevor, ist es dem Kunden meist zuzumuten, die weitere Entwicklung abzuwarten.

Reisefreudige, die in den nächsten Wochen und Monaten eine Reise buchen, müssen besondere Vorsicht walten lassen, da sie in Kenntnis der bisherigen Ausbreitung der COVID-19-Pandemie und des bestehenden Risikos von zukünftigen negativen Entwicklungen an ihrem Reiseziel eine Buchung vornehmen. Hier wird sich die Frage stellen, ob das weltweit verbreitete Coronavirus überhaupt noch als ein unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstand anzusehen ist, der einen kostenfreien Rücktritt rechtfertigt. Aus diesem Grund sollte man sich jedenfalls vor der Buchung bei den unterschiedlichen Reiseveranstaltern oder Vertragspartner eingehender über die Stornobedingungen erkundigen und gegebenenfalls individuelle Vereinbarungen treffen und schriftlich festhalten.

Manfred Wiener, Naomi Grill
Juni 2020

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