WERKVERTRAGSRECHT
Regress zwischen Werkunternehmer und Bauaufsicht
Die Komplexität von Bauvorhaben ist in den letzten Jahren beträchtlich gestiegen. Neue Materialien, optimierte Werkstoffe sowie innovative Verarbeitungsmethoden stellen hohe Anforderungen an die werkausführenden Professionisten. Bei vielen Projekten arbeiten die einzelnen Professionisten miteinander, die Ausführungsleistungen überlappen sich bzw. greifen ineinander, letztendlich entsteht ein gemeinsames Gewerk. Mit der Komplexität und den speziellen Anforderungen steigt aber auch die Wahrscheinlichkeit von Ausführungsfehlern und Schäden.
Immer öfter bedient sich der Auftraggeber zur Überwachung der werkausführenden Professionisten einer professionellen örtlichen Bauaufsicht. Im Zuge der Sanierung von Mängeln und daraus resultierenden Schäden stellt sich oft die Frage, welche (Mit)Verantwortung einer vom Auftraggeber beigestellten Bauaufsicht beim entstandenen Schaden eigentlich zukommt.
Die Entscheidung 8 Ob 88/19b befasst sich mit dieser Fragestellung, ihr lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Auftraggeber beauftragte neben dem Werkunternehmer auch einen Ziviltechniker mit der Generalplanung und örtlichen Bauaufsicht. Aufgrund mangelhafter Werkausführung klagte der Auftraggeber den Werkunternehmer erfolgreich auf Ersatz der verursachten Schäden. Im verurteilenden Erkenntnis stellte das Gericht fest, dass sowohl für den Werkunternehmer, als auch für die örtliche Bauaufsicht die Mangelhaftigkeit der Leistung leicht erkennbar gewesen sei. Vor diesem Hintergrund machte die Haftpflichtversicherung des Werkunternehmers, die den Schaden liquidierte einen Regressanspruch gegenüber der örtlichen Bauaufsicht mit der Begründung klageweise geltend, dass der Ziviltechniker seine Überwachungspflicht verletzt habe und gemeinsam mit dem Werkunternehmer für den eingetretenen Schaden solidarisch hafte.
Grundsätzlich besteht zwischen dem vom Auftraggeber direkt beauftragten Werkunternehmer um der ebenfalls vom Auftraggeber direkt beauftragten örtlichen Bauaufsicht kein Vertragsverhältnis. Der Vertrag mit der örtlichen Bauaufsicht ist auch kein Vertrag zugunsten Dritter, sodass ein mangelhaft leistender Werkunternehmer gegenüber dem Auftraggeber auch nicht einen Mitverschuldenseinwand aufgrund fehlerhafter Bauaufsicht erheben kann, um seine eigene Haftung zu mindern. Die Bauaufsicht soll nur den Auftraggeber, der hiefür den Ziviltechniker gesondert entlohnt, vor Fehlern schützen die in den Verantwortungsbereich der Werkunternehmer fallen, nicht aber die Werkunternehmer von deren Verantwortung zur mängelfreien Werkerstellung entlasten. Bei Zusammentreffen eines Ausführungsfehlers des Werkunternehmers und eines Überwachungsfehlers der örtlichen Bauaufsicht haften beide Schädiger im Außenverhältnis gegenüber dem Auftraggeber gemäß § 1302 ABGB solidarisch, sofern in solchen Fällen die Anteile der beiden Schädiger am Gesamtschaden nicht bestimmbar sind.
All das bezweifelte die klagende Haftpflichtversicherung im Verfahren nicht, sondern stützte es sich ausschließlich auf eine Schadensteilung zwischen den beiden Schädigern mit der Begründung, dass sie im Außenverhältnis gegenüber dem Auftraggeber mehr bezahlt habe, als sie im Innenverhältnis mit der örtlichen Bauaufsicht zahlen müsste, weshalb sie zum Regress berechtigt sei.
Das Höchstgericht hielt zunächst fest, dass der Regress des Werkunternehmers, der dem Auftraggeber im Zuge der Werkausführung einen Schaden verursacht und auch ersetzt hat, gegen die örtliche Bauaufsicht, die ihrerseits eine schadenskausale Sorgfaltswidrigkeit bei der Überwachung der Ausführung begangen hat und die daher gemeinsam mit dem Werkunternehmer eine Solidarhaftung gegenüber dem Auftraggeber trifft, nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Es bedarf in jedem Fall einer Einzelfallbetrachtung sowie der konkreten Beurteilung des vorzuwerfenden Verhaltens. Im konkreten Fall erachtete das Höchstgericht den Sorgfaltsverstoß auf Seiten des Werkunternehmers als so gravierend, dass demgegenüber die bloße Pflicht der örtlichen Bauaufsicht zur Überwachung der Ausführungsarbeiten massiv in den Hintergrund rückte. Aus diesem Grund versagte letztendlich der Oberste Gerichtshof in diesem Fall die Möglichkeit des anteiligen Regresses gegenüber der örtlichen Bauaufsicht.
Für die berufliche Praxis bedeutet dies, dass ein Werkunternehmer, der dem Auftraggeber Schadenersatzansprüche (Mangelfolgeschäden) ersetzt, die Möglichkeit überprüfen kann, ob weiteren Professionisten oder der örtlichen Bauaufsicht ebenfalls eine schadenskausale Sorgfaltswidrigkeit anzulasten ist, die eine Solidarhaftung begründen und zum anteiligen Regress berechtigen kann. Die örtliche Bauaufsicht wird ihrerseits zur Vermeidung derartiger Regressforderungen danach trachten, die wahrgenommenen Überwachungstätigkeiten textlich und bildlich zu dokumentieren um im Streitfall darlegen zu können, dass allfällige Zurechnungsgründe auf Seiten der Bauaufsicht zu gering ausgeprägt sind, sodass im Innenverhältnis zwischen den Solidarschuldnern auch kein Ausgleich vorzunehmen ist.
Wilfried Opetnik
Juni 2020