News

WERKVERTRAGSRECHT

ÖRTLICHE BAUAUFSICHT (ÖBA) ALS DREH- UND ANGELPUNKT EINES BAUVORHABENS

Komplikationen, Verzögerungen und Mängel im Zuge eines Bauvorhabens lösen nicht selten haftungsrechtliche Folgen für die auftretenden Akteure aus. In den Mittelpunkt des Geschehens gerät zunehmend die örtliche Bauaufsicht (ÖBA), da sie wichtige Kontroll- und Koordinierungsaufgaben wahrnimmt.

Die zentralen Aufgaben der ÖBA bestehen einerseits in der örtlichen Vertretung der Interessen des Bauherrn und andererseits in der Überwachung und Koordinierung des Baufortschritts und der werkausführenden Unternehmer. Einfach ausgedrückt soll die ÖBA vor Ort für die reibungslose Realisierung des Bauprojekts sorgen, wobei der Umfang der geschuldeten Leistung je nach Vereinbarung stark variiert, sodass diesbezüglich auch ein gewisser Auslegungsspielraum bestehen kann.

Zwischen dem Auftraggeber und der ÖBA entsteht regelmäßig kein Werkvertrag, sondern ein Bevollmächtigungsvertrag. Diese Unterscheidung ist wesentlich, da die ÖBA im Vergleich zum Planer oder zu den werkausführenden Unternehmern keinen Erfolg, sondern „emsiges, redliches Bemühen“ schuldet. Verletzt die ÖBA ihre vertraglichen Pflichten schuldhaft und entsteht daraus ein Schaden, so kann es zur solidarischen Haftung mit einem ausführenden Unternehmen kommen.

Die Rechtsprechung des OGH hat sich dahingehend verfestigt, dass die ÖBA den Bauherrn vor Auswirkungen von Fehlern schützen soll, die im Verantwortungsbereich der einzelnen bauausführenden Auftragnehmer geschehen. Sie soll aber nicht die Verantwortung der Auftragnehmer mindern, da die ÖBA ausschließlich im Interesse des Bauherrn handle (RIS-Justiz RS0108535). Das Ergebnis dieser Judikaturlinie ist, dass ein allfälliges Verschulden der ÖBA bei der Bauüberwachung weder dem Bauherrn als Mitverschulden zugerechnet wird, noch die werkausführenden Unternehmer exkulpiert. Einfach ausgedrückt: der Bauherr schuldet dem Werkunternehmer keine Überwachung der Bauausführung.

Besonders spannend sind Konstellationen, in denen der Bauherr selbst einen Dritten sowohl mit der ÖBA als auch mit Koordinierungs- und Mitwirkungspflichten beauftragt hat. Kommt es in diesem Fall zur Haftung der werkausführenden Unternehmer, so erfüllt der mit der ÖBA Beauftragte gleichzeitig Koordinierungspflichten, die grundsätzlich den Bauherrn treffen. Die Grenzen zwischen Bauaufsicht und Koordinierungspflicht sind in einem solchen Fall nicht immer leicht zu ziehen. Wesentlich ist jedoch, dass ein allfälliges Verschulden des Dritten im Wege der Erfüllungsgehilfenhaftung fallweise auch auf den Bauherrn durchschlagen kann, sofern die ÖBA Koordinierungsaufgaben für den Bauherrn wahrnimmt (OGH 3. 3. 2010 7 Ob 211/09v). In einem solchen Fall sei das Verschulden des mit der ÖBA (und der Koordinierung) Beauftragten grundsätzlich dem Bauherrn zuzurechnen, was wiederum zur Entlastung der werkausführenden Unternehmer führt. Die höchstgerichtliche Judikaturlinie ist dahingehend jedoch noch nicht „in Stein gemeißelt“.

Es empfiehlt sich daher die, von der ÖBA geschuldeten Leistungen vertraglich präzise festzulegen und sich stets vor Augen zu halten, welche Aufgaben zur Erfüllung welcher vertraglichen Pflichten verrichtet werden.

Arian Akhtarshenas, Juni 2022

zurück