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ZIVILTECHNIKERRECHT

KOALITIONSVERBOT IM ZTG 2019 AUFGEHOBEN

Gemäß § 23 Abs 3 Ziviltechnikergesetz 2019 war die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen ZiviltechnikerInnen und Gewerbetreibenden nur zulässig, wenn Letztere nicht zu ausführenden Tätigkeiten berechtigt sind. Dieses sogenannte „Koalitionsverbot“ führte dazu, dass Bewerber- und Bietergemeinschaften aus Ziviltechnikern und ausführenden Unternehmern aufgrund der Verletzung berufsrechtlicher Ausübungsbestimmungen von Vergabeverfahren auszuscheiden waren.

EuGH-Entscheidung 2019

Die Vorgängerbestimmung in § 21 Abs 3 ZTG 1993 war bereits Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Kommission gegen Österreich. Im Juli 2019 – und somit knapp nach Inkrafttreten des ZTG 2019 – entschied der EuGH, dass Österreich durch die Aufrechterhaltung der Beschränkung multidisziplinärer Tätigkeiten für Ziviltechnikergesellschaften gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstoßen hat.

ZTG-Novelle 2021

Durch die EuGH-Entscheidung war eine umfassende Novellierung des soeben in Kraft getretenen ZTG 2019 notwendig geworden, um einen europarechtskonformen Zustand herzustellen. Mit der im Jahr 2021 erfolgten Novelle wurde es ZiviltechnikerInnen nun gestattet, interdisziplinäre Gesellschaften mit Angehörigen anderer Berufe zu bilden. Die Höhe der zwingenden Beteiligung von ZiviltechnikerInnen an Ziviltechnikergesellschaften und interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern wurde auf 50% herabgesetzt (zu weiteren Details siehe Newsletter November 2021).

VfGH 2021

Obwohl der EuGH auch das sogenannte „Koalitionsverbot“ als unionrechtswidrig erkannt hatte, wurde dies bei der Novelle des ZTG im Jahr 2021 noch nicht berücksichtigt. Daran änderte auch die noch vor der Kundmachung der Novelle erfolgte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nichts, wonach das Koalitionsverbot aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit unangewendet zu bleiben hat, da es eine Verletzung des Gleichheitssatzes darstellt (VfGH 4.3.2021, E3131/2020). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Inhalt des § 21 Abs 3 ZTG 1993 hatte der VfGH übrigens im Jahr 2011 noch verworfen (VfGH 3.5.2011, B395/11).

ZTG-Novelle 2022

Mit der aktuellen Novelle des ZTG 2019, die seit 1.1.2022 in Kraft ist, wurde das Koalitionsverbot nunmehr ersatzlos gestrichen. Die Änderung war überfällig und erfolgte etwas versteckt in dieser Novelle bzw. auch ohne großes mediales Begleitecho.

Auch bei interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern, die nach dem 5. Abschnitt des ZTG 2019 gegründet werden, können nunmehr bis zu 50% der Geschäftsanteile von Gewerbetreibenden (auch Ausführenden) gehalten werden. Architekten könnten daher in einer interdisziplinären Gesellschaft mit Ziviltechnikern gemeinsam mit einem Baumeister Ziviltechnikerleistungen und Baumeisterleistungen erbringen (in diesem Fall müsste es dann zumindest zwei Geschäftsführer geben, und zwar den berufsbefugten Architekten und den Baumeister).

Da sich die ZiviltechnikerInnen vielfach als „rechte Hand“ des Bauherrn und unabhängige Berater und Planer sehen, war der Wegfall des Koalitionsverbotes über lange Zeit ein emotionales und umstrittenes Thema. Es besteht die Sorge, dass durch das Ende der Trennung von Planung und Ausführung die Unabhängigkeit der ZiviltechnikerInnen beeinträchtigt werden könnte.

Anpassungsbedarf bei den Standesregeln

In den mit Verordnung der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen erlassenen Standesregeln (Stand 2021) ist in § 9 Abs 2 noch immer vorgesehen, dass die Bildung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts (Arbeitsgemeinschaften) mit Nicht-Ziviltechnikern nur zulässig ist, wenn der Nicht-Ziviltechniker über keine Ausführungsberechtigung verfügt. In § 9 Abs 3 der Standesregeln ist weiterhin enthalten, dass die Kapitalbeteiligung der geschäftsführungs- und vertretungsbefugten ZiviltechnikerInnen mit ausgeübter Befugnis mehr als Hälfte betragen muss. Die am 1.1.2021 in Kraft getretenen Standesregeln sind daher in mehrfacher Hinsicht nicht mehr auf dem aktuellen Stand des ZTG 2019 und sollten entsprechend angepasst werden.

Manfred Wiener, Juni 2022

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