WERKVERTRAGSRECHT
Höhe der Sicherstellung bei Bauverträgen nach § 1170b ABGB
Die Bestimmung des § 1170b ABGB sieht eine gesetzliche, vertraglich nicht abdingbare Sicherstellungspflicht des Werkbestellers für Bauwerke, eine Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines Teils hievon vor. Kommt der Werkbesteller dem Sicherstellungsverlangen des Werkunternehmers nicht, nicht rechtzeitig oder unzureichend nach, so kann dieser die Erbringung seiner Leistung verweigern und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären (§ 1168 Abs 2 ABGB). Der Oberste Gerichtshof beschäftigte sich zuletzt in seiner Entscheidung GZ 3 Ob 79/20v vom 23.9.2020 mit der Frage, in welcher Höhe diese Sicherstellung gefordert werden kann.
Eine Sicherstellung ist nach § 1170b ABGB in zweifacher Hinsicht begrenzt: einerseits mit der Höhe des noch ausstehenden Entgelts, andererseits ist eine absolute Höchstgrenze von grundsätzlich einem Fünftel des vereinbarten Entgelts vorgesehen. Maßgebend ist stets (sowohl für die prozentuelle Berechnung als auch für die Beschränkung durch das „noch ausstehende Entgelt“) das vereinbarte Gesamtentgelt, nicht bloß der noch ausstehende Teil desselben oder die nächstfällige Teilzahlung. Die höhenmäßige Begrenzung der Sicherstellung durch das „noch ausstehende Entgelt“ führt somit nur dann zu einer Reduktion der absoluten Höchstgrenzen (20% bzw. 40%), wenn diese den insgesamt noch ausständigen Vergütungsanspruch übersteigen.
Kommt es zu nachträglich beauftragten Zusatzleistungen und zu einer entsprechenden Anpassung des Vergütungsanspruches, so kann in jedem Stadium der Vertragsdurchführung Sicherstellung für das – im Verhältnis zum ursprünglich vereinbarten Werklohn – angepasste Entgelt bzw. bei bereits erbrachter Sicherstellung eine diesbezügliche Aufstockung der Sicherheitsleistung verlangt werden. Darüber hinaus stellte der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung auch klar, dass selbst wenn die begehrte Sicherstellung überhöht sein sollte, dies nicht zur Unbeachtlichkeit des Begehrens auf Sicherstellung führt. Vielmehr führt dies lediglich zur Reduktion auf den zulässigen Inhalt.
Das Aufhebungsrecht des Werkunternehmers ist jedoch an eine doppelte Fristsetzung gebunden (vgl. GZ 4Ob209/18s). Zunächst muss der Unternehmer vom Besteller die Sicherheitsleistung verlangen und ihm dafür eine angemessene Frist setzen. Der Werkunternehmer kann die Angemessenheit der Frist allerdings nicht einseitig bestimmen. Diese ist vielmehr nach objektiven Gesichtspunkten zu ermitteln und umfasst jenen Zeitraum, den der Werkbesteller ohne schuldhaftes Zögern zur Beschaffung der geforderten Sicherheiten benötigt. Setzt der Unternehmer eine zu kurze Frist, so ist ein objektiv angemessener Zeitraum maßgebend. Kommt der Besteller dem Verlangen auf Sicherstellung nicht fristgerecht nach, so kommt dem Unternehmer (zunächst) ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Zur Aufhebung des Vertrags kommt es – bei entsprechender Erklärung des Unternehmers – grundsätzlich erst nach Ablauf der zu setzenden Nachfrist. Von der Nachfristsetzung kann aber dann abgesehen werden, wenn der Besteller die Sicherheitsleistung ernsthaft und endgültig verweigert. In diesem Fall steht dem Unternehmer zur Vermeidung allfälliger Mehrkosten (z.B. Stehzeiten) das Leistungsverweigerungsrecht sowie das Recht zur Vertragsaufhebung sofort zu. In dem vom Obersten Gerichtshof zu beurteilendem Fall (GZ 3 Ob 79/20v) war die gesetzte Frist für die Erbringung der Sicherstellung (hier eine Bankgarantie) von 13 Tagen sowie die Nachfrist von sieben Tagen ausreichend.
Schlussfolgerung:
Gemäß § 1170b Abs 1 ABGB kann der Werkunternehmer vom Besteller ab Vertragsabschluss eine Sicherstellung für das noch ausstehende Entgelt bis zur Höhe von grundsätzlich 20 % des vereinbarten Entgelts (oder 40 % bei Verträgen, die innerhalb von drei Monaten zu erfüllen sind) verlangen. Die höhenmäßige Begrenzung der Sicherstellung durch das „noch ausstehende Entgelt“ führt nur dann zu einer Reduktion der absoluten Höchstgrenze, wenn diese den insgesamt noch ausständigen Vergütungsanspruch übersteigt.
Sabrina Legl
November 2020