SPORTRECHT
Die Grenzen des Erlaubten im Sport
KÖRPERVERLETZUNGEN BEI „KAMPFSPORTARTEN“ UND IHRE RECHTLICHEN FOLGEN
Ein „Foul“ beim Fußballspielen in der Freizeit, ein „Bodycheck“ beim Eishockey-Match zwischen zwei Jux-Mannschaften – der Ball bzw. Puck ist weg und zurück bleibt ein verletzter Hobby-Sportler. Abschürfungen, Platzwunden, Bänder- und Knochenverletzungen kommen auch im Amateursport immer wieder vor und können unter Umständen schwerwiegende gesundheitliche und/oder wirtschaftliche Folgen für die Betroffenen haben. Hier soll nun die Frage beantwortet werden, wie mit solchen Fällen aus rechtlicher Sicht umzugehen ist.
Gemäß § 88 StGB macht sich strafbar, wer fahrlässig einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt. Die zivilrechtlichen Folgen einer Körperverletzung regelt § 1325 ABGB: Wer jemanden an seinem Körper verletzt, bestreitet die Heilungskosten des Verletzten, ersetzt ihm den entgangenen, oder, wenn der Beschädigte zum Erwerb unfähig wird, auch den künftig entgehenden Verdienst, und bezahlt ihm auf Verlangen überdies ein angemessenes Schmerzensgeld.
Sowohl die strafrechtliche als auch die zivilrechtliche Haftung setzen ein Verschulden des Täters bzw. Schädigers voraus. Für die Verschuldensform der Fahrlässigkeit ist unter anderem die objektive Sorgfaltswidrigkeit der schädigenden Handlung erforderlich. Diese liegt dann vor, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters in der konkreten Situation anders verhalten hätte. Da viele gefährliche Handlungen (zB Autofahren, Bergsteigen, Kampfsport, ärztliche Eingriffe) von der Rechtsordnung toleriert werden, handelt jedoch nur objektiv sorgfaltswidrig, wer ein rechtlich missbilligtes, sozial inadäquates Risiko für den Eintritt eines verbotenen Erfolgs schafft oder vergrößert. Wer sich im Rahmen des mit der betreffenden Tätigkeit notwendigerweise verbundenen Risikos bewegt und die unter den gegebenen Umständen gebotenen Vorsichtsmaßnahmen und Regeln beachtet, dem kann kein sorgfaltswidriges Verhalten vorgeworfen werden.
Diese Grundsätze gelten auch für sportliche Wettkämpfe. Hier gesteht die Judikatur in der Regel sogar eine wettkampfspezifische Erhöhung des erlaubten Risikos zu. Unvermeidbare bzw. typische Regelverstöße begründen demnach (noch) keine objektive Sorgfaltswidrigkeit.
Ein Verhalten, das fremde Rechtsgüter gefährdet oder verletzt und deshalb grundsätzlich rechtswidrig wäre, kann auch durch die Einwilligung des Verletzten gerechtfertigt sein. Dies betrifft sowohl die strafrechtliche als auch die zivilrechtliche Haftung. Die Einwilligung in eine Körperverletzung schließt nach § 90 Abs 1 StGB die Rechtswidrigkeit jedoch nur dann aus, wenn die Verletzung oder Gefährdung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Als nicht sittenwidrig werden Körperverletzungen und Gefährdungen zB im Interesse der Wissenschaft oder im Zusammenhang mit einer Sportausübung angesehen. Grundsätzlich spielt es keine Rolle, ob die Verletzung eine leichte oder eine schwere ist. Auch bei bloß leichten Verletzungen ist die Frage der Sittenwidrigkeit von den Gerichten zu prüfen.
Laut OGH werden unter Kampfsportarten Spiele verstanden, die ein gewisses Element der Gewaltanwendung im Wettkampf haben, wie etwa Eishockey, Fußball oder Handball. Bei diesen Sportarten ist bei Verletzung fremder absolut geschützter Rechte wie zB des Rechts auf körperliche Unversehrtheit das Rechtswidrigkeitsurteil nur aufgrund umfassender Interessensabwägung zu finden. Eine gewisse Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Sportausübenden ist im Wesen des Sports begründet, und das notwendigerweise damit verbundene Risiko der daran teilnehmenden Personen ist daher gebilligt. Der mit der Sportausübung verbundenen Gefährdung fehlt die Rechtswidrigkeit, wenn die der betreffenden Sportart eigenen Regeln eingehalten werden. Übliche leichte Verstöße gegen Sportregeln, durch die bei Ausübung eines Kampfsports Körperverletzungen zugefügt werden, sowie typische Regelverstöße sind idR nicht rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit einer Verletzungshandlung beim Kampfsport ist jedoch gegeben, wenn das Verhalten des Schädigers über einen beim Kampf um den Ball (Puck etc.) immer wieder vorkommenden typischen Regelverstoß hinausgeht (6 Ob 136/19x).
Die diesbezügliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes beruht auf dem Gedanken des Handelns auf eigene Gefahr. Bei „gegeneinander“ ausgeübter sportlicher Betätigung ist eine Verhaltensweise, die sonst nur als leichter Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht aufzufassen wäre, nicht rechtswidrig. Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch über die Einwilligung des Verletzten. Diese Einwilligung in eine mögliche Gefährdung oder Verletzung, die durch Teilnahme an der sportlichen Veranstaltung zum Ausdruck gebracht wird, umfasst ebenfalls nur solche Risiken, die bei Einhaltung der betreffenden Spielregeln oder bei leichten, für die betreffende Sportart typischen Regelverstößen schlagend werden können, nicht aber durch grobe Regelverstöße oder übertriebene Härte geschaffene Gefahren.
So entschied der OGH kürzlich im Falle eines bei einem Eishockey-Spiel verletzten Hobby-Sportlers, dass den Gegenspieler des Verletzten die volle schadenersatzrechtliche Haftung für die Verletzungsfolgen trifft (6 Ob 136/19x). Zwischen den Trainern der beiden Hobby-Mannschaften war vereinbart worden, dass „körperlos“, also ohne „Bodychecks“ und ohne übertrieben Härte gespielt wird. Nach den subsidiär anwendbaren Spielregeln der „International Ice Hockey Federation“ (IIHF) ist Körperkontakt zwar erlaubt, jedoch darf ein Gegenspieler, der keinen Puck führt, nicht attackiert werden. Im vorliegenden Fall erwartete der angreifende Kläger einen Pass aus dem Rückraum. Laut OGH durfte er beim Zurückblicken auf den sich nähernden Puck erwarten, nicht durch den verteidigenden Beklagten von vorne „gecheckt“ zu werden; er musste sich definitiv keine Sorgen machen, von dem sich annähernden Verteidiger an- und umgefahren zu werden. Vielmehr muss der Verteidiger in dieser Situation dafür Sorge tragen, dass keine Aggression entsteht. Dennoch krachte der Verteidiger mit dem Angreifer zusammen, wobei sich dieser schwer verletzte. Dass der Beklagte dabei versucht habe, den Puck zu spielen, befreit ihn nach Auffassung des OGH nicht von jeglicher Sorgfalt gegenüber dem gegnerischen Spieler, der dasselbe Ziel hatte. Schließlich will jeder Eishockeyspieler den Puck erobern, was auch in der Natur des Spieles liegt. Dennoch sind die Spielregeln tunlichst einzuhalten, und zwar insbesondere jene, die verhindern sollen, dass es zu Verletzungen kommen kann.
Peter Karlberger
Juni 2020