MEDIENRECHT
Damokles und die Gegendarstellung – Chancen und Risken im medienrechtlichen Entgegnungsverfahren
Wer durch eine in einem periodischen Medium verbreitete unwahre Tatsachenmitteilung persönlich betroffen ist, hat gemäß § 9 Mediengesetz Anspruch auf eine unentgeltliche, im gleichen Medium zu veröffentlichende Gegendarstellung. In dieser früher als Entgegnung bezeichneten Mitteilung ist in knapper Weise auszuführen, dass und inwieweit die Tatsachenmitteilung unrichtig oder unvollständig ist und woraus sich dies ergibt. Die Gegendarstellung kann sprachlich frei gestaltet werden. Sie muss entweder die Tatsachen anführen, die im Gegensatz zur Tatsachenmitteilung richtig sind oder letztere in einem erheblichen Punkt ergänzen, oder sich sonst unmittelbar auf die Tatsachenmitteilung und deren Unrichtigkeit oder irreführende Unvollständigkeit beziehen. Ihr Umfang darf nicht außer Verhältnis zum Umfang der Tatsachenmitteilung stehen.
Die Veröffentlichung der Gegendarstellung erfolgt auf Kosten des Medieninhabers, also zB des Zeitungsverlages oder Fernsehsenders, der die unwahre Tatsachenmitteilung verbreitet hat, und muss den gleichen Veröffentlichungswert haben wie die vorangegangene Tatsachenmitteilung. Befand sich diese etwa auf der Titelseite einer Tageszeitung, dann muss auch die Gegendarstellung auf die Titelseite dieser Zeitung gedruckt werden, die gleiche Schriftgröße aufweisen und ungefähr den gleichen Raum einnehmen.
Um die Aktualität zu wahren, gelten kurze Fristen. So müssen Gegendarstellungen in täglich erscheinenden periodischen Medien spätestens am fünften Werktag nach Einlangen des schriftlichen Veröffentlichungsbegehrens veröffentlicht werden. Betrifft die Gegendarstellung eine Tatsachenmitteilung, die in einem Online-Medium erschienen ist, dann ist sie auf der betreffenden Website einen Monat lang abrufbar zu machen. Wenn die Tatsachenmitteilung jedoch weiterhin abrufbar ist, dann ist die Gegendarstellung ebenso lange wie die Tatsachenmitteilung und bis zu einem Zeitpunkt abrufbar zu halten, der einen Monat nach der Löschung der Tatsachenmitteilung liegt.
Was auf den ersten Blick relativ klar und unproblematisch erscheint, entpuppt sich jedoch bei näherem Hinsehen als juristisches Minenfeld. Sowohl was die Form als auch was den Inhalt der begehrten Gegendarstellung betrifft, sind zahlreiche Vorgaben und Einschränkungen zu beachten. So besteht gemäß § 11 Mediengesetz unter anderem dann keine Verpflichtung des Medieninhabers zur Veröffentlichung der Gegendarstellung, wenn diese, sei es auch nur in einzelnen Teilen, ihrem Inhalt nach unwahr ist; wenn die Tatsachenmitteilung für den Betroffenen unerheblich ist; wenn die Veröffentlichung, auf die sich die Gegendarstellung bezieht, auch die Behauptung des Betroffenen wiedergibt und diese Wiedergabe einer Gegendarstellung gleichwertig ist; wenn dem Betroffenen zu einer Stellungnahme in derselben oder einer anderen gleichwertigen Veröffentlichung Gelegenheit geboten worden ist, er davon aber keinen Gebrauch gemacht hat; wenn vor Einlangen der Gegendarstellung bereits eine gleichwertige redaktionelle Richtigstellung oder Ergänzung veröffentlicht worden ist; oder wenn die Gegendarstellung nicht binnen zwei Monaten nach Ablauf des Tages, an dem die Tatsachenmitteilung veröffentlicht oder abrufbar gemacht worden ist, beim Medieninhaber oder in der Redaktion des Medienunternehmens eingelangt ist.
Wenngleich die Gegendarstellung sprachlich frei gestaltet werden kann, muss die zu veröffentlichende „Antithese“ inhaltlich deckungsgleich mit der bekämpften „These“, also der unwahren Tatsachenmitteilung sein, nur eben mit umgekehrtem Vorzeichen. Die Entgegnung darf also nicht über den Kern dessen hinausgehen, was ursprünglich als falsche Tatsache verbreitet wurde.
Da sich Gegendarstellungen nur auf Tatsachenmitteilungen beziehen können, sind bloße Meinungsäußerungen oder Werturteile nicht entgegnungsfähig. Dies gilt zB für Mitteilungen wie „Das Essen im überteuerten Restaurant XY schmeckt nicht gut“ oder „Die Darbietung des untalentierten Schauspielers N.N. war grottenschlecht“, auch wenn solche Mitteilungen für die Betroffenen sehr unangenehm sind und subjektiv als unberechtigt empfunden werden können.
Es erweist sich daher in der Praxis oft als schwierig, die Veröffentlichung einer Gegendarstellung gerichtlich durchzusetzen, wenn sich der Medieninhaber weigert, diese freiwillig vorzunehmen. Zuständig für das in diesem Fall einzuleitende, nach strengen formalen Kriterien ablaufende medienrechtliche Verfahren ist das mit der Gerichtsbarkeit in Strafsachen betraute örtlich zuständige Landesgericht. Auch hier gelten kurze Fristen, nämlich sechs Wochen für die Antragsstellung und fünf Werktage für die Erhebung von Einwendungen durch den Antragsgegner und für die Erstattung einer Gegenäußerung durch den Antragssteller. Das Gericht hat dann binnen 14 Tagen eine Hauptverhandlung durchzuführen und mit mündlich zu verkündendem Urteil zu entscheiden.
Gelingt es einem von einer unwahren Tatsachenmitteilung Betroffenen trotz der oben dargestellten juristischen Herausforderungen, ein auf Veröffentlichung der Gegendarstellung lautendes Urteil zu erwirken, dann steht er jedoch unter Umständen vor einem noch viel größeren Problem. Hier kommt nämlich der im Titel erwähnte Damokles ins Spiel. Gleich dem drohend über dem Haupt des armen Damokles schwebenden Schwert türmt sich nämlich vor dem vermeintlich glücklichen Gewinner des erstinstanzlichen Entgegnungsverfahrens eine unter Umständen existenzbedrohende Kostenforderung auf.
Zu dieser in der Praxis oft übersehenen, in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen aber geradezu haarsträubenden Konsequenz kann es dann kommen, wenn die dem Antragsgegner vom Erstgericht aufgetragene Veröffentlichung auf einer Website zu erfolgen hat. Wie bereits erwähnt, ist die Veröffentlichung dort mindestens einen Monat lang abrufbar zu machen, und zwar spätestens ab dem fünften Werktag nach mündlicher Urteilsverkündung. Erhebt nun aber der Antragsgegner gegen das Urteil des Erstrichters Berufung und wird der Berufung vom Oberlandesgericht ganz oder teilweise Folge gegeben, dann kann er vom Antragssteller gemäß § 17 Abs 5 Mediengesetz nicht nur die Kosten der Veröffentlichung des Berufungsurteils, sondern darüber hinaus auch die Bezahlung eines angemessenen Einschaltungsentgelts für die – wie sich nun nachträglich herausstellt – zu Unrecht erwirkte Veröffentlichung der Gegendarstellung verlangen. Diese Kosten sind nach dem Tarif für Werbe-Inserate zu bemessen und können bei einem Online-Medium mit großer Reichweite unter Umständen mehrere hunderttausend Euro betragen.
Wenn man bedenkt, dass diese exorbitante Kostenforderung die Folge eines – zumindest vom Berufungsgericht als solches angesehenen – Fehlurteils des Erstrichters ist, auf welches der Antragsteller letztlich keinen Einfluss hat, dann bedeutet dies im Ergebnis, dass dieser einem nicht kontrollierbaren Kostenrisiko ausgesetzt ist. Angesichts der potenziell existenzbedrohenden Höhe dieses Risikos muss ein wirtschaftlich denkender, verantwortungsbewusster Mensch von der gerichtlichen Durchsetzung seines im Mediengesetz statuierten Entgegnungsrechts daher von Vornherein Abstand nehmen, wenn er nicht riskieren will, in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten zu geraten.
De facto führt dies in solchen und ähnlich gelagerten Fällen zu einer völligen, an Rechtsverweigerung grenzenden Aushöhlung des Entgegnungsrechts. Das hat kürzlich auch der Verfassungsgerichtshof erkannt und die Bestimmung des § 17 Abs 5 Mediengesetz in einem von der Wiener Stadträtin Ulli Sima gegen die Website „oe24.at“ angestrengten Verfahren als verfassungswidrig aufgehoben (VfGH 15.3.2023, G 297/2022). Die verfassungswidrige Bestimmung tritt (erst) mit Ablauf des 30. Juni 2024 außer Kraft und ist somit bis dahin weiterhin anzuwenden. Potenzielle Antragssteller seien daher gewarnt und an den armen Damokles erinnert.
Peter Karlberger
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