ZIVILTECHNIKERRECHT
Änderungen durch die ZTG-Novelle 2021
Am 28.7.2021 trat die Novelle des Ziviltechnikergesetzes (ZTG 2019) in Kraft, die aufgrund des EuGH-Urteils C-209/18 vom 29.7.2019 erforderlich geworden ist. Wir haben in der Vergangenheit bereits mehrfach über die neuen Entwicklungen und Änderungsabsichten berichtet (Newsletter November 2020, 03/2019 und 02/2019).
Durch die Novelle werden weitreichende Änderungen bei den Ziviltechnikergesellschaften vorgenommen und „interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern“ ermöglicht. Gegenüber dem Begutachtungsentwurf erfolgten nur wenige wesentliche Änderungen. Anstelle der bisher im Gesetzesänderungsprozess verwendeten Bezeichnung „interdisziplinäre ZT-Gesellschaft“ wird aber nun der Begriff „interdisziplinäre Gesellschaft mit Ziviltechnikern“ verwendet.
BETEILIGUNG, GESCHÄFTSFÜHRUNG UND PROKURA BEI ZT-GESELLSCHAFTEN
Mit der Novelle 2021 wird die Höhe der Beteiligung von Ziviltechnikern an Ziviltechnikergesellschaften adaptiert; statt der bisherigen Mehrheit an Gesellschaftsanteilen müssen künftig nur mehr 50 % von Gesellschaftsanteilen und Stimmrechten von Ziviltechnikern, Ziviltechnikergesellschaften oder (neu) interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern gehalten werden.
Nach der Neufassung des § 29 Abs 1 ZTG müssen die Geschäftsführer keine Kapitalmehrheit an der Ziviltechnikergesellschaft mehr halten. Geschäftsführer müssen zwar weiterhin an der Ziviltechnikergesellschaft beteiligt sein, ein Mindestmaß für die Beteiligung der Geschäftsführer ist jetzt aber nicht mehr festgelegt.
Die 50 %-Grenze für die Beteiligung von „Ziviltechnikern“ wird vom Gesetzgeber nach den Erläuterungen zur Novelle aufgrund von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses weiterhin für erforderlich gehalten. Eine Beteiligung von berufsfremden Personen oder Gesellschaften an Ziviltechnikergesellschaften im Ausmaß von über 50 % würde die Objektivität und Unabhängigkeit des Berufsstandes untergraben; nur durch eine Beteiligungsbeschränkung würde die Gefahr einer Fremdbestimmung wirksam bekämpft. In den Erläuterungen finden sich umfangreiche Ausführungen zur Eignung dieser Regelung, zur Erreichung des Schutzzwecks und zur Verhältnismäßigkeit.
Gemäß § 29 Abs 6 ZTG ist die Erteilung von Prokura in ZT-Gesellschaften nunmehr unzulässig. Über § 37f ZTG gilt dieses Verbot auch in interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern. Da es in der Vergangenheit durchaus zu Prokuraerteilungen in Ziviltechnikergesellschaften gekommen ist, ist das Fehlen von Übergangsvorschriften ebenso als Mangel der Novellierung anzusehen wie das Fehlen von Vorschriften, die den Wechsel von einer Ziviltechnikergesellschaft zu einer interdisziplinären Gesellschaft mit Ziviltechnikern (oder umgekehrt) regeln.
INTERDISZIPLINÄRE GESELLSCHAFT MIT ZIVILTECHNIKERN
Die Regelungen zur neuen interdisziplinären Gesellschaft mit Ziviltechnikern finden sich in einem neuen fünften Abschnitt des Ziviltechnikergesetzes (§§ 37a-37f ZTG). In diesen interdisziplinären Gesellschaften wird unter bestimmten Voraussetzungen der Zusammenschluss von Ziviltechnikern mit Angehörigen anderer Berufe ermöglicht.
Diese interdisziplinären Gesellschaften können auch Gesellschafter einer Ziviltechnikergesellschaft sein. Sowohl für Ziviltechnikergesellschaften als auf für interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern gilt, dass die Ermittlung der Beteiligung von mindesten 50 % der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte unter Berücksichtigung der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte an allfällig an der Gesellschaft beteiligten Ziviltechnikergesellschaften und interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern zu erfolgen hat.
Interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern haben in ihrer Firma die Bezeichnung „interdisziplinäre Gesellschaft mit Ziviltechnikern“ und deren Berufsbefugnisse zu führen. Auf diese Weise soll nach außen hin ersichtlich sein, dass die Gesellschaft nicht zum Zweck der ausschließlichen Ausübung des Ziviltechnikerberufes gegründet wurde. Derzeit herrscht hier in der sich gerade etablierenden Praxis eine sehr formale Betrachtung vor, die durch eine detaillierte Aufzählung der Berufsbefugnisse (insbesondere mit dem genauen Wortlaut der Gewerbeberechtigung) zu Wortungetümen im Firmennamen führen kann.
Die Geschäftsführung der interdisziplinären Gesellschaft mit Ziviltechnikern darf für den Bereich der Ziviltechnikertätigkeit nur von einer natürlichen Person ausgeübt werden, die Gesellschafter mit aufrechter Ziviltechnikerbefugnis ist. Über fachliche Fragen der Berufsausübung der interdisziplinären Gesellschaft mit Ziviltechnikern entscheiden in den zuständigen Gesellschaftsorganen ausschließlich die Gesellschafter, die die entsprechende Befugnis haben. Für den Bereich außerhalb der Ziviltechnikertätigkeit wird die Bestellung weiterer Geschäftsführer, die nicht zwingend Gesellschafter sein müssen, zulässig sein.
Interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern unterliegen, abhängig davon, welche Berufe sie zusätzlich ausüben, den diesbezüglichen Berufsgesetzen und sind dann auch Mitglied in den jeweils zuständigen Interessenvertretungen (etwa Wirtschaftskammer Österreich oder Kammer der Wirtschaftstreuhänder).
Manfred Wiener, November 2021
zurück