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ZIVILTECHNIKERGESETZ

Geplante Novellierung des ZTG 2019 infolge EuGH-Entscheidung

Im Newsletter-Beitrag aus 03/2019 zum Thema „EUGH UND FREIE BERUFE / ÖSTERREICHISCHES ZIVILTECHNIKERGESETZ (ZTG) UND DEUTSCHE HONORARORDNUNG (HOAI) NICHT EUROPARECHTSKONFORM“ haben wir unter anderem von einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes berichtet, die für das erst wenige Wochen zuvor in Kraft getretene Ziviltechnikergesetz 2019 (ZTG 2019) weitreichende Folgen hatte. In der Rechtssache C-209/18 verurteilte der EuGH Österreich mit Urteil vom 29.7.2019 in einem Vertragsverletzungsverfahren, weil berufsrechtliche Beschränkungen, insbesondere die strengen gesetzlichen Anforderungen zur Berufsausübung (unter anderem) für ZiviltechnikerInnen, gegen geltendes EU-Recht verstoßen.

Österreich war durch dieses Urteil gezwungen, eine Novelle für das ZTG 2019 zu entwerfen, in der einige beachtenswerte Änderungen vorgesehen sind. Die in der aktuellen Entwurfsfassung enthaltenen wesentlichsten Neuerungen sowie die während der Begutachtungsfrist daran geäußerte, zum Teil sehr scharfe Kritik verdienen eine nähere Betrachtung.

NEU: INTERDISZIPLINÄRE ZIVILTECHNIKERGESELLSCHAFTEN

Mit der vorliegenden Novelle sollen sogenannte interdisziplinäre Ziviltechnikergesellschaften eingeführt werden: Diese bieten ZiviltechnikerInnen die Möglichkeit, sich künftig mit Angehörigen anderer Berufe zusammenzuschließen, um auch andere Tätigkeiten als jene des Ziviltechnikerberufes auszuüben. Dies kann (in den Worten der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen) durchaus als Paradigmenwechsel für die Ziviltechnikerschaft, für die bislang eine strikte Trennung von Planung und Ausführung galt, bezeichnet werden.

Zumindest 50 % des Stammkapitals solcher interdisziplinärer ZT-Gesellschaften, welche ihrer Firma einen entsprechenden Zusatz sowie einen Hinweis auf die Berufsbefugnisse beizufügen haben, müssen von ZiviltechnikerInnen oder (auch interdisziplinären) ZT-Gesellschaften mit aufrechter Befugnis gehalten werden. Daneben dürfen sich jedoch auch natürliche Personen sowie Gesellschaften, die eine andere berufliche Tätigkeit befugt ausüben, an der Gesellschaft beteiligen. Über fachliche Fragen der Berufsausübung einer interdisziplinären Ziviltechnikergesellschaft entscheiden in den zuständigen Gesellschaftsorganen ausschließlich jene Gesellschafter, die über die entsprechende (fachlich einschlägige) Befugnis verfügen; gegen deren Willen darf keine Entscheidung getroffen werden.

BETEILIGUNG AN ZIVILTECHNIKERGESELLSCHAFTEN

Das ZTG 2019 sieht in seiner aktuellen Fassung vor, dass lediglich natürliche Personen, berufsbefugte Ziviltechnikergesellschaften und in der EU, dem Europäischen Wirtschaftsraum bzw. der Schweiz niedergelassene, den Beruf eines freiberuflichen Architekten oder Ingenieurkonsulenten befugt ausübende und zu keiner ausführenden Tätigkeit berechtigte Gesellschaften als Gesellschafter an einer ZT-Gesellschaft beteiligt sein dürfen. Für zu ausführenden Tätigkeiten berechtigte Gesellschaften besteht derzeit keine Möglichkeit, Gesellschafterstellung in einer ZT-Gesellschaft zu erlangen.

Nach dem aktuellen Entwurf der Novelle soll es in Zukunft jedoch möglich sein, dass sich auch interdisziplinäre Ziviltechnikergesellschaften an ZT-Gesellschaften beteiligen – und zwar ohne, dass hierfür eine Obergrenze vorgesehen ist. Somit könnten Gesellschaften, die auch zu ausführenden Tätigkeiten berechtigt sind, zukünftig als Mehrheitsgesellschafter einer „klassischen“ ZT-Gesellschaft auftreten.

GESCHÄFTSFÜHRUNG UND ORGANISATION

Bislang durften nur Gesellschafter mit aufrechter Befugnis, die gemeinsam mehr als die Hälfte der Gesellschaftsanteile halten, zu Geschäftsführern einer Ziviltechnikergesellschaft bestellt werden. Diese Regelung stellt gleichzeitig eine effektive Mindestgrenze von 50 % plus einer Stimme für die Beteiligung natürlicher Personen mit aufrechter Ziviltechnikerbefugnis dar.

Im aktuellen Entwurf der Novelle wird von diesem Prinzip abgegangen: So müssen Geschäftsführer zwar weiterhin natürliche Personen und zugleich Gesellschafter mit aufrechter Befugnis sein. Vom bisherigen Erfordernis, dass diese auch mehr als die Hälfte der Gesellschaftsanteile innehaben müssen, soll jedoch zugunsten einer Regelung abgegangen werden, wonach die Kapitalbeteiligung von Ziviltechnikern, Ziviltechnikergesellschaften und interdisziplinären Ziviltechnikergesellschaften mit aufrechter Befugnis mindestens 50 % zu betragen hat. Im Ergebnis bedeutet das einerseits, dass auch ein Minderheitsgesellschafter mit aufrechter Befugnis zum Geschäftsführer bestellt werden dürfte. Andererseits wäre es auch möglich, dass eine interdisziplinäre ZT-Gesellschaft als überwiegende Mehrheitsgesellschafterin einer „klassischen“ Ziviltechnikergesellschaft auftritt. Ein gesonderter Hinweis auf die Beteiligungsverhältnisse, etwa durch einen Zusatz zur Firma, ist bei derartigen Konstellationen nach dem aktuellen Entwurf der Novelle nicht vorgesehen.

GEÄUSSERTE BEDENKEN

In ihrer Stellungnahme zum aktuellen Entwurf der ZTG-Novelle hat die Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen (gemeinsam mit den Landeskammern) massive Bedenken daran geäußert, ob mit den geplanten Änderungen tatsächlich die vom EuGH vorgegebenen Kriterien des Schutzes von Dienstleistungsempfängern und der Sicherstellung der Dienstleistungsqualität eingehalten werden können. Ein Lösungsansatz, die Qualitätssicherung durch die Trennung von Planung und Ausführung auch für die interdisziplinäre ZT-Gesellschaft beizubehalten, wäre die Beschränkung der Beteiligung von Ausführungsberechtigten (oder anderen interdisziplinären Gesellschaften) an interdisziplinären Ziviltechnikergesellschaften auf 50 %. Dass die Beteiligung von interdisziplinären ZT-Gesellschaften an „klassischen“ ZT-Gesellschaften zur Erfüllung der Vorgaben des EuGH überhaupt notwendig wäre, wird bezweifelt.

Derzeit sind zudem weder eine Höchstgrenze für die Beteiligung einer interdisziplinären an einer „klassischen“ ZT-Gesellschaft noch ein entsprechender deutlicher Hinweis bei einer ebensolchen vorgesehen. Dadurch stelle sich jedoch die Frage, ob ein durchschnittlicher Dienstleistungsempfänger klar erkennen kann, dass an einer von ihm beauftragten Ziviltechnikergesellschaft (zumindest mittelbar) auch ausführende Unternehmen beteiligt sind. Im Interesse größtmöglicher Transparenz ist diese Kritik durchaus nachvollziehbar.

Es bleibt abzuwarten, ob die während der Begutachtungsfrist vorgebrachten Bedenken Gehör finden und in welcher Fassung die Novellierung des ZTG 2019 schließlich beschlossen werden wird. In welcher Form auch immer die Vorgaben des EuGH umgesetzt werden – wir halten Sie auf dem Laufenden.

Manfred Wiener, Iris Otrebski
November 2020

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